Die Schweiz hat keine China-Strategie – eine Chance?

    Das Thema China brennt den Menschen offenbar unter den Nägeln. So erstaunt es nicht, dass kürzlich der Grossratssaal in Luzern bis auf den letzten Platz besetzt war. Dr. Remo Reginold vom Swiss Institute for Global Affairs referierte über Chinas neue Seidenstrasse.

    (Bild: zVg) Dr. Nicole Frank (SRF) im Gespräch mit Dr. Remo Reginold (SIGA).

    Das Sicherheitspolitische Forum Zentralschweiz hatte eingeladen. Unter diesen Vorzeichen wurde insbesondere die geopolitische Bedeutung Chinas betont und differenziert analysiert. Denn hinter dem vordergründig wirtschaftlichen Projekt der neuen Seidenstrasse stecken strategische Ziele. Diese langfristigen Machtprojektionen zeigen sich exemplarisch darin, dass es eben noch weitere, hintergründige Seidenstrassen gibt, etwa die Digitale Seidenstrasse oder die Polare Seidenstrasse.

    Mit reichhaltigen Karten und Fakten vermochte Reginold an diesen beiden Beispielen darzulegen, wie Peking seinen weltpolitischen Einfluss stetig und nachhaltig auszubauen vermag. Dabei spielt nicht einmal das Militär die Hauptrolle. Nein, es geht viel mehr um die Auslegung von Geschichte und internationalem Recht, um Forschung und Technologie, sowie auch um Deutungshoheit. Geschickt spielt die Kommunistische Partei Chinas auf diesen strategischen Klaviaturen und kann sich je nach Situation auf neue Begebenheiten und Herausforderungen einstellen. Sie bezeichnen sich etwa inzwischen als Arktisnaher Staat und berufen sich auf ihre langjährigen Forschungs- Umweltschutzaktivitäten in der Region. Wegen dem schmelzenden Polareis wird die Arktis zunehmend zu einem begehrten und umstrittenen Gebiet. Es locken nicht nur neue Ressourcen, sondern auch attraktive Handelsrouten. Das Referat bekam nach diesem Exkurs wieder mehr konkreten Praxisbezug für die Schweiz, als es zur Digital Silk Road schwenkte. China ist in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Akteur im Bereich digitaler Zukunftstechnologien geworden. Obwohl es sehr viel Kritik an den neuen chinesischen Überwachungstechnologien gibt, wollen doch alle von den Fortschritten mit-profitieren, erklärt Reginold. Im Bereich Künstliche Intelligenz steckt extrem viel chinesisches Geld über den Erdball verteilt in etablierten Forschungsinstitutionen. Beim Thema 5G kommt man heute nicht mehr darum herum, mit chinesischen Anbietern zusammenzuarbeiten. Und wenn wir von Smart City sprechen, ist das Reich der Mittel in fast allen Ländern der Welt aktiv. Wo wir aber bei solchen smarten Technologien Chancen für den Umweltschutz oder mehr Effizienz und ein besseres Zusammenleben erhoffen, sieht die Kommunistische Partei Chinas das Thema Sicherheit als Priorität. Sie sprechen dann eben eher von Safe City und testen vor allem die neusten Überwachungsmethoden. Das sollte  uns aufhorchen lassen.

    Diese Entwicklungen und Abhängigkeiten können Sorge bereiten. Das hat auch das Gespräch und die Diskussion von Dr. Nicole Frank (SRF Rundschau) mit Dr. Remo Reginold sowie mit dem Publikum gezeigt. Nichtsdestotrotz hat die Schweiz auch Trümpfe in der Hand, derer sie sich mehr bewusst sein sollte und die wir wieder mehr betonen sollten. So schaffen unsere dezentralen Strukturen eine hohe Resilienz, betont Reginold. Die direkte Demokratie, der Föderalismus und unsere gewerblich ausgerichtete Wirtschaftsstruktur sind nicht so leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dass die Schweiz keine zentrale Chinastrategie hat ist dabei vielleicht genauso eine Chance, sich unberechenbar und weniger manipulierbar zu machen. Remo Reginold ergänzt zudem, dass man sich aber auch nicht blauäugig und naiv einbinden lassen darf und muss sich der geostrategischen Dimension des neuen Seidenstrassenprojekts stets bewusst sein.

    Redaktion

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